Spiel (Heft 4/2014)

Um die Probleme der Welt zu lösen, müssen wir spielen – so eine These des Berliner Medienwissenschaftlers Prof. Dr. Norbert Bolz in seinem Buch »Wer nicht spielt, ist krank. Warum Fußball, Glücksspiel und Social Games lebenswichtig für uns sind« (München: Redline Verlag 2014).

Spiel und Spielen sind offenbar, so ist es allenthalben zu erleben und zu lesen, elementare Dimensionen der Persönlichkeitsentwicklung und der Aneignung von Welt. Diese Wahrnehmung steht auch hinter der Charakterisierung des Menschen als spielendem Menschen (homo ludens). Und tatsächlich ist es wohl so, dass das Spiel bis heute für Jung bis Alt eine Form und zugleich Lebensäußerung ist, in der wir uns ausprobieren, unsere Rollen finden, Stärken und Schwächen erleben, an Regeln stoßen und sie übertreten, Problemlösungsstrategien entwickeln und verwerfen, Zeit und Raum vergessen und neu setzen, selbstbewusst agieren und zugleich reagieren, volle Leidenschaft ausleben und Ernüchterung erleiden … (lernen).

Und vermutlich wurde nie so viel gespielt wie heute – die Allgegenwart und weltweite Vernetzung von mobilen Kommunikationsgeräten mit Bildschirmen macht es möglich, dass immer und überall mit jeder und jedem gespielt wird oder zumindest die Möglichkeit dazu besteht. Zugleich gibt es eine Renaissance des klassischen, interpersonalen Spieles – Gesellschaftsspiele, Brettspiele, Geländespiele …

Aber es geht längst um mehr als ›nur‹ um Spiel. Gamification ist ein Schlagwort, hinter dem die Strategie in Wissenschaft, Geschäftswelt, Gesellschaft und Industrie steht, alltägliche Prozesse in Spiele zu verwandeln. Spielend sollen Probleme gelöst werden, am Spiel soll herausgefunden werden, wie Prozesse möglichst gleichmäßig und zugleich optimiert verlaufen können und die Motivation gesteigert wird. Das Spiel hilft, Aufgaben klar zu benennen und auch jederzeit über den eigenen Status und den Stand der Aufgabenerfüllung ein Feedback zu erhalten.

Spätestens hier wird deutlich, wie verwoben Spiel und Wirklichkeit sind. Entscheidend ist dabei die Einstellung: »Der Eintritt in die Welt des Spiels ist nur möglich, wenn man an sie glaubt.« So beginnt Christoph Wulf seinen Beitrag »Das Spiel, Imagination und Performativität« in unserer Ausgabe (S. 11). Abgewandelt ließe sich wohl auch formulieren: »Der Eintritt in die Wirklichkeit des Lebens ist nur möglich, wenn man an sie glaubt.« Und spätestens jetzt wird deutlich, wie eng auch Religion, Glaube, die eigene Haltung und Einstellung, die Frage nach Sinn, Weltdeutung, Lebens­bewältigung, soziale Verantwortung, Selbstvertrauen und Transzendenz miteinander verwoben sind.

Wir können das Thema keineswegs umfassend oder vielfältig genug bearbeiten, zeigen aber einige interessante Perspektiven und geben Praxiserfahrungen weiter in der Hoffnung, dass diese spielend weiterhelfen, die Probleme der Welt zu lösen …